In meinem Blog finden Sie Interviews rund um das Thema „Wertschätzende Unternehmenskultur“.
Diesmal habe ich mir eine Expertin für Kommunikation gesucht, um zu erfahren, wie Wertschätzung ganz konkret ausgedrückt werden kann.
Meine Expertin auf diesem Gebiet ist Mechthild von Scheurl-Defersdorf. Sie hat mit dem Neurologen Theodor von Stockert das Lingva Eterna® Sprach- und Kommunikationskonzept entwickelt. Es basiert auf drei Säulen: Die drei Säulen sind die Präsenz des Sprechers, die Klarheit der Botschaft und die fundamentale Wertschätzung für jeden.
Liebe Frau von Scheurl-Defersdorf, Sie haben ein Kommunikationsmodell entwickelt, das klar und zielführend und gleichzeitig sehr wertschätzend ist. Mich interessieren immer die Anfänge. Wie sind Sie darauf gekommen?
Mechthild von Scheurl-Defersdorf: „Ich habe in den 90er Jahren eine Entdeckung gemacht. Ich habe viele Seminare besucht und erkannt, dass nur ein kleiner Teil der Teilnehmer die Inhalte der Seminare auch umsetzt. Ich habe dabei bemerkt, dass diese Menschen eine eigene Sprache haben. Sie gebrauchen andere Formulierungen, haben eine große Vielfalt, um das Schöne und Gute auszudrücken und sie sind in ihrer Sprache bemerkenswert klar und bejahend.
Etwa 8 % der Menschen sprechen auf diese Art und Weise. Die gute Nachricht ist: Das kann man lernen. Und sobald wir beginnen unsere Sprache weiter zu entwickeln, wird sich das auf unser Verhalten und unsere Haltung auswirken und das wiederum auf die Art, wie andere mit uns umgehen.“
Nun machen Sie häufig Führungskräftetraining und Schulungen in Unternehmen. Wie kommen Unternehmen auf die Idee an der Sprache etwas zu ändern?
Mechthild von Scheurl-Defersdorf: „Wir haben in unseren offenen Seminaren zahlreiche Teilnehmer mit Personalverantwortung. Die Teilnehmer nehmen viele Anregungen mit, denn etwa die Hälfte der Beispiele, mit denen wir arbeiten, kommen aus der Berufswelt und gerne auch aus dem Kontext der Teilnehmer. Da erzählen nach dem Seminar Geschäftsführer oder Abteilungsleiter begeistert, wie viel leichter die Kommunikation in ihren Meetings, im Umgang mit den verschiedenen Ebenen und auch mit den Kunden geworden ist. Und sie erzählen wie leicht es ist, etwas umzustellen. Andere hören das und wollen mehr wissen. Und dann dauert es nicht lange, bis auch sie in unseren Seminaren sitzen. Also im Wesentlichen kommen die Führungskräfte durch Empfehlung oder auch durch unsere Bücher auf diese Idee.“
Was verändert sich in einer Abteilung, wenn der Vorgesetzte oder die Mitarbeiter solche Seminare besuchen?
Mechthild von Scheurl-Defersdorf: „Ich habe gerade ein Unternehmen vor Augen, das wir seit fünf Jahren begleiten.
Was ändert sich da? Die Kommunikation zwischen den Kollegen und Kolleginnen ist wesentlich leichter geworden. Die Reibungen, die manchmal im Alltag und im Stress entstehen, haben sie so gut wie gar nicht mehr. Sie haben eine klare Ansprache an den anderen. Sie sagen klar, was sie wollen oder nicht wollen. Sie sagen klar, was sie sich vom anderen wünschen. Die Mitarbeiter trauen sich im Umgang mit den Vorgesetzten nicht nur zu sagen, was alles wunderbar ist, sondern auch einmal eine Idee zu äußern, was sie empfehlen zu tun. Sie berichten, dass sie viel mehr positive Rückmeldungen von Kunden bekommen, die sich für die angenehme Zusammenarbeit bedanken. Sie haben insgesamt einen wertschätzenden, klaren Umgang miteinander entwickelt.“
In unregelmäßigen Abständen führe ich Gespräche mit interessanten Menschen, die einen Beitrag rund um das Thema wertschätzende Unternehmenskultur leisten können. Hast du Interesse, darüber informiert zu werden, sobald ein neues Interview oder spannender Beitrag zu diesem Themenbereich veröffentlicht wird?
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Haben Sie ein konkretes Beispiel für so einen wertschätzenden Umgang?
Mechthild von Scheurl-Defersdorf: „Ich hatte eine sehr erfolgreiche Führungskraft aus dem Top-Management eines Produktionsunternehmens hier in meinen Seminaren. Die Besprechungen in seinem Unternehmen sind zuvor wenig wertschätzend abgelaufen. Es war an der Tagesordnung, währenddessen SMS und E-Mails zu lesen, zu schreiben und demjenigen, der gerade spricht, keine Aufmerksamkeit zu schenken. Das hat er geändert.
Und er hat Wertschätzung gleich vorgemacht. Ein Mitarbeiter war gerade von einer erfolgreichen Geschäftsreise aus China zurückgekehrt. Also sagte der Manager: „Herr Müller (Namen geändert), Sie haben dieses Projekt in China ausgezeichnet abgeschlossen. Ich danke Ihnen!“ Und er hat seine Worte wirken lassen. Wirken lassen, das geht so einfach! Machen Sie eine Pause!
Lassen Sie uns dieses Lob näher betrachten. Er hat seinen Mitarbeiter angeschaut, mit dem Namen angesprochen und eine kurze Atempause gemacht. In dieser kurzen Pause hatte der Angesprochene die Gelegenheit sich auf das Zuhören einzustellen. Das Lob, das dann folgt, erreicht offene Ohren. Ich garantiere Ihnen, wenn Sie so loben, dann wirkt ihr Lob ganz tief.
Der Mitarbeiter sagte später zu seinem Chef sichtlich bewegt: „Ein Lob und einen Dank vor allen anderen, ohne jegliche Einschränkung – das habe ich in 20 Jahren hier in der Firma noch nicht erlebt!“
Nun hat dessen Chef von diesem Lob und seiner Wirkung gehört. Er wollte bei anderer Gelegenheit auch ein solches Lob anbringen. Er sagte: „Herr Maier, Sie haben eine hervorragende Präsentation gehalten. Aber bitte achten Sie beim nächsten Mal noch auf…“ Der Mitarbeiter hat sich im ersten Teil gefreut, bei dem Wort „ABER“ ist er dann erstarrt.“
Nun kann es sein, dass ich nicht ganz zufrieden bin, und nicht alles loben kann.
Mechthild von Scheurl-Defersdorf: „Das ist ganz einfach. Loben Sie auf diese Art: „Herr Maier, (Pause) Sie haben eine hervorragende Präsentation gehalten. (Pause) Ich danke Ihnen! (Pause)“ Lassen Sie das Lob erst ankommen. „Darf ich Ihnen eine kleine Anregung geben, worauf Sie beim nächsten Mal noch achten können?“
Sie sehen, es geht vollkommen ohne das Wörtchen „aber“. Und plötzlich haben wir eine ganz andere Wirkung.
Das ist ja das Schöne. Es geht so einfach. Oft sind es nur Kleinigkeiten und dennoch haben diese Kleinigkeiten eine große Wirkung.“
Ein wertschätzender Umgang besteht nicht nur aus dem Loben. Wie kann ich Wertschätzung noch ausdrücken?
Mechthild von Scheurl-Defersdorf: „Unabhängig davon, was ich besprechen will, der erste Schritt ist die Kontaktaufnahme.
Wie spreche ich den anderen an? Schenke ich ihm meine Aufmerksamkeit?
Die „drei A“ helfen, das Gespräch von Anfang an wertschätzend zu führen.
Die drei A, das sind: Anschauen – Ansprechen – Atmen
Schauen Sie Ihren Gesprächspartner an, sagen Sie seinen Namen und dann machen Sie eine kurze Pause – einen Atemzug. Geben Sie Ihrem Gegenüber die Zeit, sich aus den vorherigen Gedanken zu lösen und sich Ihnen zuzuwenden.
Es ist so einfach und so wirkungsvoll. Ihr Gesprächspartner fühlt sich gesehen und wahrgenommen und gleichzeitig gewinnen Sie selbst an Präsenz und Ausstrahlung. Versuchen Sie es einfach einmal.
In Unternehmen hat das noch eine ganz andere Wirkung. Missverständnisse werden weniger. Wie oft werden in Unternehmen Informationen oder auch Anweisungen mal schnell auf Zuruf gegeben. Wenn der Empfänger gerade konzentriert in einer anderen Aufgabe ist, wird er die Botschaft nur halb oder gar nicht wahrnehmen. Diese einfache Ansprache, in der Sie wirklich mit Ihrer Aufmerksamkeit bei Ihrem Gesprächspartner sind, hat eine starke Wirkung.
Eine andere Möglichkeit Wertschätzung auszudrücken, ist den Urheber einer Idee zu nennen. Ein Unternehmen, in dem etliche Führungskräfte und Mitarbeiter unser Sprach- und Kommunikationskonzept anwenden, hat sogar Produkte nach den Personen benannt, die die Idee dazu hatten und das Patent entwickelt haben. Die Zahl der Patente ist bei ihnen sprunghaft angestiegen.
Ich könnte Ihnen noch viele Beispiele nennen.“
Darauf komme ich gerne zurück, liebe Frau von Scheurl-Defersdorf. Als Künstlerin arbeite ich gerne mit Bildern, deshalb habe ich Ihnen hier ein paar Bilder mitgebracht. Wählen Sie bitte eines aus, das für Sie für Ihr Kommunikationskonzept steht.
Mechthild von Scheurl-Defersdorf: „Ich habe den Pfau gewählt. Ich wünsche Menschen, dass sie all das zeigen, was sie an Schönem zu bieten haben. Und ich wünsche ihnen, dass sie wissen, dass sie das tun dürfen.
Das ist: Präsenz zeigen. Manche denken ja, das wäre eingebildet und das tut man nicht.
Nur – wenn einer etwas kann, dann dürfen die anderen das doch sehen.
Ich will Menschen ermöglichen, eine Bühne in ihrem Leben zu bauen. Auf dieser Bühne können sie Präsenz zeigen und von anderen gesehen werden. Das gehört dazu, wenn ich Präsenz zeige.
Ich mache mich sichtbar. Es ist nicht wichtig, dass die anderen mich sehen. Ich mache es nicht, damit die anderen mich sehen. Nur – es ist in Ordnung, wenn die anderen mich sehen. Wenn wir eine klare wertschätzende Sprache sprechen, gewinnen wir an Präsenz. Wir sehen und wir werden gesehen.“
Vielen Dank für dieses wunderbare Gespräch, liebe Frau von Scheurl-Defersdorf.
Ich will gleich noch einen Lesetipp anschließen:
In der Sprache liegt die Kraft, klar reden, besser leben, Verlag Herder
Die Kraft der Sprache. 80 Karten für den alltäglichen Sprachgebrauch, Lingva Eterna Verlag
Den Kartensatz habe ich ebenfalls im Einsatz. Er erinnert mich täglich an einen Aspekt, dem ich gerade Augenmerk schenken will. Und das Buch nehme ich immer wieder gerne als Ratgeber zur Hand.
Mechthild R. von Scheurl-Defersdorf hat das LINGVA ETERNA® Sprach- und Kommunikationskonzept begründet und leitet das gleichnamige Institut in Erlangen.
Seit 1991 hat sie zum Thema Sprache und Kommunikation mehrere grundlegende Bücher veröffentlicht.
Sie arbeitet mit dem Arzt und Neurowissenschaftler Dr. Theodor von Stockert zusammen. Gemeinsam mit ihm bietet sie Seminare und Vorträge sowie berufsbegleitende Ausbildungen an.
Ich liebe die wunderbare Arbeit von Mechthild von Scheurl-Defersdorf und Dr. von Stockert. Unsere Sprache ist ein Abbild von uns selbst – wenn wir sie verändern, verändern wir unser Leben. Das gelingt schon, indem wir Kleinigkeiten bewusst wandeln. Üben und dran bleiben lautet die Devise. Danke für die Anregung!