Auf meiner Recherchetour rund um eine wertschätzende Unternehmenskultur bin ich Klaus Kobjoll begegnet. Klaus Kobjoll hat das erfolgreiche Hotel Schindlerhof bei Nürnberg aufgebaut. Für ihn sind Unternehmen Spielplätze für Erwachsene. Sein Spiel: Eine Talentschmiede und gleichzeitig eine Pilgerstätte für wahre Herzlichkeit zu erschaffen.
Servicequalität ist gerade in Hotels ein ganz wichtiges Thema. Wie stellen Sie die Servicequalität auf diesem hohen Niveau sicher?
Klaus Kobjoll: „Man kann Servicequalität und Mitarbeiterorientierung nicht voneinander trennen. Service wird von Menschen erbracht. Das heißt, ich brauche eine ausgeprägte Mitarbeiterorientierung.
Das fängt bei der Auswahl der Mitarbeiter an. Wir wollen Leute, die Lust haben, Verantwortung zu übernehmen und etwas zu bewegen. Leute, die morgens schon mit den Hufen scharren und sich fragen: Was kann ich heute anstellen?
Das wird immer schwieriger. Da trifft uns bereits der demographische Wandel. Umso wichtiger ist es heute, zwei Marken zu pflegen. Einmal die Marke gegenüber dem Kunden und zweitens die Arbeitgebermarke.
Wir lassen regelmäßig unsere Arbeitgebermarke von Prof. Colin Roth von der Universität Erlangen-Nürnberg bewerten. Anschließend klären wir mit ihm, in welchen Bereichen wir noch Verbesserungspotenzial haben.
Der zweite sehr wichtige Aspekt, um die Servicequalität aufrecht zu erhalten, sind unsere Rituale der Wertschätzung. Wir haben Dutzende von Ritualen. Das beginnt am ersten Arbeitstag mit einen Glas Champagner, einer Geschenkeliste, einer Azubi-Welcome-Party. Jeder wird zum Geburtstag persönlich angerufen. Es gibt immer ein Osternest für die Mitarbeiter, die in der Osterwoche arbeiten, und einen Schokoladennikolaus am 6. Dezember. Jeder bekommt ein individuelles Geschenk mit einem Dankesbrief am Tag bevor er in Urlaub fährt und hat am letzten Urlaubstag Post von uns mit einer Schachtel Pralinen, um die Übergangszeit in den Alltag zu versüßen.
Wir machen teambildende Maßnahmen. Wir sind regelmäßig mit den Auszubildenden in einem Outdoorparcour bei dem Extramsportler Hubert Schwarz. Ich mache ungefähr 4-6 Kanutouren jedes Jahr mit verschiedenen Mitarbeitergruppen. Ich habe einige so weit, dass ich mit ihnen im Wildwasser in Österreich fahren kann. Wir machen Ausflüge mit unseren Auszubildenden in Luxushotels. Jetzt waren wir gerade im Allgäu in einem Wellnesshotel.
Also wir haben sehr viele Rituale der Wertschätzung. Wobei man hier aufpassen muss, dass es nicht wie ein Incentive ankommt. Wenn du diese Leistung bringst, dann bekommst du das. So haben das Versicherer lange Zeit gemacht. Aber auch die wissen inzwischen, dass das nicht funktioniert.
Wir wollen keine Motivierung, sondern Motivation. Mitarbeiter müssen 100% intrinsische Motivation mitbringen. Aber ich kann dann noch einen Turbo einbauen. Das fängt schon mit dem kleinen Wort „Danke“ an.“
Wie schafft man den Unterschied, dass eine Kanufahrt als Wertschätzung und nicht als Incentive wahrgenommen wird?
Klaus Kobjoll: „Die Mitarbeiter spüren, wenn es von Herzen kommt. Wenn ich zum Beispiel die Kanufahrt delegieren würde, dann wäre es wie ein Incentive. Wenn ich mich aber selbst mit knapp 70 ins Boot setze und den ganzen Tag mitpaddle, und die anderen möglicherweise noch abhänge, dann spüren alle: „Hoppla! Der Alte hat ja Spaß daran!“ Wir laden dann alle noch in meine Waldhütte zum Grillen ein. Also wir machen auch sehr viel privat.
Mitarbeiter spüren, ob etwas von Herzen kommt, oder ob es ein System ist, das automatisch abläuft. Es muss auch mal etwas spontan passieren. Also auch Dinge, die jetzt nicht organisiert sind.“
In unregelmäßigen Abständen führe ich Gespräche mit interessanten Menschen, die einen Beitrag rund um das Thema wertschätzende Unternehmenskultur leisten können. Hast du Interesse, darüber informiert zu werden, sobald ein neues Interview oder spannender Beitrag zu diesem Themenbereich veröffentlicht wird?
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Klaus Kobjoll: „Da muss ich gar nicht lange überlegen. Das erste sind die Pferde.
Nachwuchsführungskräfte können bei uns Seminare machen, in denen sie mit Pferden arbeiten. Wir haben dafür einen Kommunikationswissenschaftler in der Nähe von Köln im Bergischen Land, der bei Monty Roberts die Lizenz erworben hat. Ich habe dieses Seminar auch selbst mitgemacht.
Wir lernen von den Pferden drei Dinge:
Das erste ist: Was heißt Führung? Führung heißt, jemand folgt mir. Sie stehen in diesem abgezirkelten Rund in einer Halle, ohne Halfter, ohne Führstrick und das Pferd folgt ihnen. Sie können Zickzack laufen und das Pferd bleibt 10 cm hinter ihrer Schulter. In diesem Moment spüren sie: Führung heißt, jemand folgt mir.
Ich habe Top-Manager von großen Firmen herumwerkeln sehen und denen ist kein Pferd gefolgt. Jetzt kann man die Frage stellen: Wie führen diese Manager ihre Mitarbeiter? Mit Druck? Erzählen Sie mal einem Pferd: „Wenn du jetzt nicht hinter mir herläufst, gibt es heute Abend keinen Hafer.“ Ein Pferd hat ein Herz so groß wie eine Melone. Sie können diese Spezies nur über die Herzensebene erreichen.
Das zweite, wenn ich in der Mitte stehe, das Pferd läuft um mich herum, keine Longe, kein Halfter. Ich denke Trab und das Pferd fängt an zu traben: Nonverbale Kommunikation. Ein Pferd hat einen 360 Grad Rundumblick und sieht an der Mimik, an der Gestik, an der ganzen Haltung, was sie jetzt eigentlich wollen. Schauen wir uns Unternehmen an. Es gibt viele Führungskräfte, die den Mitarbeiter bittersüß ins Gesicht sagen: „Machen sie das mal. Sie machen das schon!“ Und jeder weiß: Der kommt nachts nochmal nachschauen, ob es auch so gemacht wurde, wir er es sich vorgestellt hat. Das ist eben unechtes Vertrauen. Reden und Handeln passen nicht zusammen. Pferde reagieren nur auf ihr Handeln.
Das dritte, was wir lernen: Wenn wir aufhören zusammen zu arbeiten und das Pferd senkt den Kopf auf den Boden und schaut ob es da einen Grashalm gibt. Das heißt in der Pferdesprache: „Ich vertraue dir. Wenn jetzt ein Wolf kommt, dann löst du das für mich.“ Ich habe Menschen gesehen, die versucht haben, den Hals des Pferdes nach unten zu drücken. Das schaffen sie nicht. Druck erzeugt Gegendruck.
Dieses Bild passt zu uns. Wir machen gerne Kanufahrten. Bei mir sind es keine Ruderboote sondern Kanadier mit einem Halbpaddel.
Das ist eine wunderbare teambildende Maßnahme und eine Klärung, ob zwei Menschen zusammen?
Wenn zwei Leute in einem Boot sitzen, die nicht klarkommen: Einer paddelt vorwärts, der andere rückwärts. Dann können Sie Gift darauf nehmen, die können auch nicht zusammenarbeiten.
Da gibt es drei Möglichkeiten: Sie trennen sich und setzen sich in andere Boote und plötzlich funktioniert es wieder oder sie raufen sich zusammen oder sie bleiben zurück, weil sie einfach nicht vom Fleck kommen. Das haben wir oft ausprobiert. Ich habe gedacht, ich glaube es nicht, dass ausgerechnet die zwei, die sich dauernd im Betrieb streiten, auch beim Paddeln nicht zurechtkommen. Aber es hat sich immer wieder bestätigt.“
Und dann die Hunde: Hunde sind wunderbare Wesen. Ich habe selber einen Labrador. Unsere Mitarbeiter dürfen ihren Hund zur Arbeit mitbringen. Die Familie hat ohnehin schon immer zwei Hunde dabei. Zur Zeit gibt es keine Mitarbeiter mit Hund, aber wir hatten mehrfach Mitarbeiter, die ihren Hund ins Büro mitgebracht haben.
Da muss man ein paar Regeln aufstellen. Wenn z.B. die eine Hündin läufig ist, darf der Rüde nicht mitkommen. Für das Betriebsklima ist es wunderbar, wenn irgendwo ein Hund im Büro liegt. Mir ist es viel lieber, wenn die Mitarbeiter zwischendurch mit dem Hund Gassi gehen, anstatt eine Zigarette zu rauchen. Pause, Sauerstoff im Kopf, das ist gesund. Mein Hund sorgt z.B. dafür, dass ich einen niedrigeren Blutdruck habe, wenn ich aus dem Büro nach Hause komme.
Lieber Herr Kobjoll, ich danke Ihnen für dieses inspirierende Gespräch.
Klaus Kobjoll hat 1984 das Landhotel Schindlerhof eröffnet. Er baute den Schindlerhof gemeinsam mit seiner Frau und seiner Tochter konsequent zum Tagungszentrum aus. Das Hotel erhielt mehrere Auszeichnungen als bestes Tagungshotel und als bester Arbeitsgeber in der europäischen Hotellerie. Neben seiner Tätigkeit als Hotelier gibt er seine Erfahrungen in Seminaren und Vorträgen an mittelständische Unternehmen und Konzerne weiter.
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