Auf meiner Recherchetour rund um eine wertschätzende Unternehmenskultur bin ich Frank Rohde begegnet. Er ist Personaldirektor bei Adobe Systems und hat zusammen mit dem Management Team einen Kulturwandel bei Adobe gestartet. Die Software-Entwicklung war schon immer sehr kreativ. Er wollte Kreativität und Lernbereitschaft auch in die anderen Abteilungen und Unternehmensbereiche bringen.
Lieber Herr Rohde, Adobe ist ein Unternehmen, das für mich schon immer ein Inbegriff von Kreativität war. Was hat Sie veranlasst, das verbessern zu wollen? Was war die Ausgangssituation?
Frank Rohde: „Wir hatten immer leicht unterschiedliche Kulturen in den Engineering-Standorten und den Vertriebseinheiten. Wir haben gute Ergebnisse erzielt und gute Wachstumsraten. Und dennoch fand sich auch diese Haltung: „Das geht nicht, weil…“ oder „Mehr geht nicht“. Das wollten wir ändern. Wir wollten in allen Bereichen alle Mitarbeiter motivieren, nach Möglichkeiten zu suchen und nicht nach Erklärungen, warum etwas nicht geht.
Bei der Suche nach einem Ansatz habe wir das Konzept von „Growth“ und „Fixed Mindset“ kennengelernt. (Das Konzept geht auf die Psychologin Carol S. Dweck zurück. Buchtipp: „Selbstbild: Wie unser Denken Erfolge oder Niederlagen bewirkt“)
Die grundlegende Basis dieses Konzeptes ist die Lernbereitschaft. Menschen mit einem Growth Mindset sind der Meinung, dass sie sich durch Lernen persönlich weiterentwickeln und besser werden können. Sie investieren daher Zeit und Engagement. Sie gehen auf eine neugierige Art mit Fehlern um, da ein Fehler lediglich bedeutet: „So ist es nicht gegangen, wie dann?“ Wenn sie etwas nicht können oder auch auf den ersten Blick nicht wollen, stellen sie sich dennoch der Herausforderung. “
Was haben Sie unternommen, um die Idee ins Rollen zu bringen und mit Leben zu füllen?
Frank Rohde: „Zunächst haben wir uns im Führungskreis damit beschäftigt und gemeinsam beschlossen, dass wir unsere Kultur in diese Richtung weiterentwickeln wollen. Wir konnten uns vorstellen, das umzusetzen und dauerhaft vorzuleben. Veränderung beginnt immer bei mir selbst. Wir waren und sind bereit dazu.
Nachdem wir uns im Führungsteam einig waren, haben wir die Mitarbeiter mit ins Boot geholt. Wir haben alles selbst gemacht – ohne Berater. Das ist uns wichtig. Wir wollen unsere eigene Bereitschaft zeigen und Zeit und Arbeit in diesen Kulturwandel stecken.
Als Start, um alle Mitarbeiter ins Boot zu holen, haben wir 2016 einen ersten Growth Day organisiert. 220 Mitarbeitern aus den DACH-Ländern waren dabei. Wir hatten Vorträge und Workshops. Und wir haben alle gemeinsam überlegt: Wie können wir das Konzept eines Growth Mindset umsetzen?
Das war letztes Jahr schon ein voller Erfolg. Dieses Jahr waren bereits 350 Mitarbeiter dabei. Wir wachsen sehr schnell. Der Tag kam wieder sehr gut an. Alleine die Tatsache, dass alle Mitarbeiter zusammenkommen, die sonst ganz verstreut arbeiten, hat eine tolle Energie gebracht.
Diesmal sind wir in den Themen etwas spezifischer geworden. Drei Schwerpunktthemen, die mit dem Growth Mindset einhergehen, bestimmten den Tag. Das waren: LEARN, LEAD und CHALLENGE.
Wir hatten wieder eine sensationelle Stimmung. Alle haben mitgemacht, obwohl wir wirklich jeden herausgefordert haben. Challenge, etwas ausprobieren, was man sich nicht vorstellen kann. Dafür haben wir uns etwas ganz Besonderes einfallen lassen. Es was ein voller Erfolg!“
In unregelmäßigen Abständen führe ich Gespräche mit interessanten Menschen, die einen Beitrag rund um das Thema wertschätzende Unternehmenskultur leisten können. Hast du Interesse, darüber informiert zu werden, sobald ein neues Interview oder spannender Beitrag zu diesem Themenbereich veröffentlicht wird?
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Darüber würde ich gerne mehr erfahren. Wie sieht so ein Growth Day aus?
Frank Rohde: „Erst einmal hatten wir eine kleine Kick-off-Übung, die aus dem Design-Thinking kommt. Sie heißt The-Wallet-Exercise: Zwei Menschen sitzen sich gegenüber. Einer ist der Kunde, der andere der Design-Thinker, der eine gute Lösung für das Problem des Kunden finden will. Es beginnt mit der Aufforderung: ‚Zeig mir mal dein Portemonnaie’. Der Design-Thinker versucht das Problem zu verstehen, das der Kunde mit seinem Portemonnaie lösen will. Besser gesagt das Problemset, denn es gibt ganz unterschiedliche Ziele, die jemand bei der Wahl seines Geldbeutels verfolgt. Also fragt der Interviewer: Was ist das besondere an deinem Geldbeutel? Warum hast du genau diesen? Was sind die Inhalte? In dieser Phase versucht der Interviewer herauszufinden, was den Kunden bewegt, wie zufrieden er mit seinem Geldbeutel ist, was er noch bräuchte … Und dann folgen: Problem definieren – Prototyp entwickeln –überprüfen. Am Ende hatten wir für jeden das optimale Portemonnaie entwickelt. Das war eine Super-Gaudi mit 350 Leuten im Raum.
Zum Thema LEARN gab es eine Tec-Fair, auf der Kollegen/Innen die neuesten Innovationen gezeigt haben.
Zum Thema LEAD hatten wir Übungen rund um das Thema Customer Centricity. Zum Beispiel war eine Übung eine Desert-Survival-Übung. Hierbei ging es um die Frage: Wie kommt ein Team zu schnellen Entscheidungen? Eine andere Übung war: Wie pitche ich schnell vor dem Kunden. Wie komme ich schnell auf den Kundenwunsch und kann dann eine Lösung für den Kunden finden und präsentieren.
Der dritte Teil, die CHALLENGE, war für viele eine wahre Herausforderung. Wir haben ein komplettes Ensemble aus dem Impro-Theater engagiert. In einer einstündigen Einführung wurden erst einmal die Grundlagen gelernt. Ich bin vielen auf dem Gang begegnet, die gesagt haben. „Ich muss gleich zu diesem Impro-Theater. Das ist ja überhaupt nicht mein Ding.“ Und genau das war unser Ziel. Wir wollten, dass jeder etwas macht, was ihm unbekannt ist, was sich erst einmal ungut anfühlt. Und wir waren absolut überzeugt, dass alle danach begeistert herauskommen werden. Und so war es.
Wir haben viel daraus gelernt. Gerade für Kundengespräche ist Impro-Theater eine tolle Vorbereitung. Gutes Zuhören und spontan reagieren, wenn sich ein Gespräch in eine andere Richtung entwickelt. Wir konnten uns das vorher gar nicht vorstellen, aber es wirkt tatsächlich.
Und der Schlussakt, der krönende Abschluss des Tages, war ein improvisiertes Stück bei dem alle in 24 Gruppen eine menschliche „Incredible Machine“ aufgeführt haben. Wir haben ein Video davon gedreht. Es ist gigantisch, was sich die Gruppen innerhalb von zwei Minuten haben einfallen lassen. Jeder – wirklich jeder hat mitgemacht. Es war ein absolut gelungener Tag. Wir haben damit wirklich viel in Bewegung gesetzt.“
Nun ist ein Event noch kein Kulturwandel. Auf die anderen Maßnahmen, die Sie bei Adobe umsetzen, will ich gerne in einem späteren Blogbeitrag eingehen. Vielleicht zum Abschluss noch die Frage: Wie wirken sich die Maßnahmen aus? Welche Veränderungen sind sichtbar?
Frank Rohde: „Wir haben in vielen Bereichen deutliche Umsatzsteigerungen. Die Mitarbeiterzahlen sind auch deutlich gestiegen und die Weiterbildungsangebote werden stärker genutzt. Viele Mitarbeiter sind bereit, Ihr Wissen in sogenannten „Spark Brown Bags“ an Kollegen weiterzugeben.
Gerade bei neuen Mitarbeitern achten wir inzwischen mehr auf den Mindset als auf Erfahrung. Das gelingt noch nicht in allen Bereichen, aber es zeigt sich ein deutlicher Unterschied. Die Bereiche, die das verinnerlicht haben und entsprechend in der Mitarbeiterauswahl berücksichtigen, haben enorme Erfolge.
Ich merke das selbst auch immer wieder. Die Mitarbeiter sprühen vor Energie und Ideenreichtum. Das macht richtig Spaß.“
Vielen Dank, Herr Rohde. Ich freue mich schon auf die Fortsetzung.
Frank Rohde ist Europäischer Personalleiter (Director Strategic Business Partnering) bei Adobe Systems.
Er ist HR Businesspartner für verschiedene Standorte in Europa (derzeit DACH & Osteuropa) sowie für europaweite Unternehmensbereiche.
Der Bereich „Talent Development“ (PE), sowie Programme für Themen wie Talent Review, Performance Management & Succession Planning oder Innovationsförderung, sowie Merger & Acquisition EMEA fallen in seinen Verantwortungsbereich.
Er hält zahlreiche Vorträge über das aktuelle Kulturtransformationsprojekt bei Adobe.
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