Auf meiner Recherchetour rund um die wertschätzende Unternehmenskultur, in der Kreativität möglich ist, bin ich Dr. Pero Mićić begegnet. Pero Mićić ist Zukunftsmanager und Gründer der FutureManagementGroup AG. Er hat in einem Vortrag „Zukunftsradar 2025“ in Nürnberg davon gesprochen, dass er und seine Mitarbeiter zu 70 % im Flow arbeiten. Das hat mich neugierig gemacht.
Lieber Herr Dr. Mićić, bevor wir auf das Thema „70 % im Flow“ kommen, würde mich interessieren: Was macht eigentlich ein Zukunftsmanager?
Dr. Pero Mićić: „Im Unterschied zu einem Zukunftsforscher, der oder die im Wesentlichen darüber spricht, was so kommen kann oder nicht kommen kann, nutzen wir die Zukunftsforschung als Rohmaterial und helfen Menschen in Führungsrollen eine Vorstellung davon zu haben, was in ihrem Markt passieren könnte und passieren wird, ihre Annahmen zu verbessern, daraus Vision, Ausrichtung, Strategie zu entwickeln.
Wie viele Leute arbeiten mit Ihnen zusammen an der Zukunft?
Dr. Pero Mićić: „Das ist ein Team von 20 Menschen vom Physiker bis zum Theologen und über die Pädagogin bis hin zur Historikerin. Also relativ viele Disziplinen, die sich zusammenfügen und zusammengetan haben, um genau solche Projekte, wie ich sie eben beschrieben habe, zu machen.“
Jetzt ist „in die Zukunft blicken“ mit Phantasie, mit Vorstellungsvermögen, mit Methoden verbunden. Und es erfordert meiner Meinung nach eine dazu passende Unternehmenskultur. Welche Kultur pflegen Sie in Ihrem Unternehmen? Für diese Frage habe ich Ihnen ein paar Bilder mitgebracht. Ich arbeite gerne mit Bildern. Welches Bild passt am besten zu Ihrer Unternehmenskultur?
Spontan aus dem Bauch!
Dr. Pero Mićić:
„Also ich würde sagen: Am besten passt das Basketball-Team.“ (siehe oben)
„Ein Stück weit ist unsere Zielkultur auch das Bild im Wasser rechts, also das mit dem in die Luft geworfenen Menschen. Unsere Unternehmenskultur nennen wir „Fun in Excellence“. Ich glaube diese beiden sind die, die ich am ehesten wählen würde.
Das militärische Bild passt nicht zu uns. Wobei wir durchaus versuchen, nicht nur den kurzfristigen Emotionen nachzugeben und damit in die Kurzfrist-Falle zu tappen. Gute Vorsätze reichen nicht, wir müssen uns gegenseitig durch Exzellenz, Konsequenz und Besonnenheit zu zukunftsintelligentem Verhalten fördern. Das ist in einer modernen Organisation nicht fehl am Platz. Das verstehen die meisten Menschen nicht. Da wird Organisation mit dem Faktor „Augenhöhe“ zu oft zu romantisch gesehen.“
Was verbinden Sie mit diesem Basketballteam?
Dr. Pero Mićić: „Wir haben zusammen ein klares Bild davon, wer wir heute sein wollen, wer wir in der Zukunft sein wollen, was wir für wen bewirken wollen und wie wir miteinander umgehen wollen. Das halte ich bei einem so komplexen Thema, wie wir es haben, für wesentlich. Es ist wichtig, dass man diese gemeinsame mentale und auch emotionale Landkarte hat.
Daraus ergeben sich durchaus gewisse Zielkonflikte z.B.: zwischen Kontinuität und Veränderung.
Auf der einen Seite entscheiden wir was wir gemeinsam wollen. Auf der anderen Seite gibt es immer wieder neue Ideen, die u.U. alles in Frage stellen.
Ich höre oft: Man muss jederzeit alle Ideen zulassen und einbringen und immer wieder das Bewährte aufbrechen. Das sagen in der Regel Leute, die noch nie ein Team in einem komplexen Geschäft geführt haben und noch nie eine fokussierte Strategie verfolgt haben.
Periodische Arbeit an der Ausrichtung ist existenziell wichtig, permanente Arbeit daran ist fast tödlich.
In unregelmäßigen Abständen führe ich Gespräche mit interessanten Menschen, die einen Beitrag rund um das Thema wertschätzende Unternehmenskultur leisten können. Hast du Interesse, darüber informiert zu werden, sobald ein neues Interview oder spannender Beitrag zu diesem Themenbereich veröffentlicht wird?
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Wenn man ständig alles in Frage stellt, was man gerade beschlossen hat, dann kommt man nicht mehr zum Arbeiten?
Dr. Pero Mićić: „Man kommt nicht zum Arbeiten und man schafft keine klare Identität. Es ist ohnehin schon schwierig, weil ja gerade etwas Metaphysisches, wie wir es machen, immer wieder von jedem Beteiligten neu interpretiert wird. Wenn es da keinen Maßstab in Form gemeinsamer Bilder gibt, dann entwickelt sich das Unternehmen immer weiter auseinander.
Nun könnte man sagen: Ja, soll es doch. Das ist dann eine Frage der eigenen Vision. Also für mich ist es wesentlich, dass wir mit dem „Eltviller Modell“ und dieser Art Zukunft zu sehen, erfolgreich sind. Für mich ist es nicht wesentlich, dass wir irgendwie erfolgreich sind unter einer gemeinsamen Marke und jeder macht sein eigenes Geschäft. Das ist nicht meine Vision, das ist nicht Gegenstand unseres Geschäfts und deshalb achten wir schon darauf, dass diese gemeinsame Landkarte gepflegt wird.“
Nun ist die gemeinsame Ausrichtung ein wichtiger Aspekt der Unternehmenskultur. Das Arbeiten im Flow ist ein anderer Aspekt. Sie haben gesagt: „Für Flow gibt es einen Knopf. Ich sichere die 70% zu, darauf achten muss allerdings jeder selbst zusammen mit mir“ Was ist der Knopf?
Dr. Pero Mićić: „Wir haben nur ein Leben und das Leben ist relativ kurz. Es gibt wenig Gründe – außer existenzielle – sein Leben mit viel Mühe zu verbringen. Die gibt es ganz automatisch, ohne dass wir etwas dazu tun.
Wir wissen aus der Psychologie, dass Menschen dann besonders gesund und produktiv sind, wenn sie in ihrem Ding sind. Und wenn dieses Ding wertvoll ist, wertgeschätzt wird und sie davon Leben können. Insofern sind die theoretischen und wissenschaftlichen Grundlagen ganz eindeutig.
Ich habe mich gefragt, was das für uns heißt. Was heißt das auch für mich? Und dabei bin ich zu der Formel gekommen, dass ich den Anspruch habe, mindestens 2/3 in Freude zu arbeiten. D.h. dass ich nicht das Gefühl haben will, dass ich arbeiten muss, sondern dass ich das mache, was mich fasziniert. Dabei habe ich für mich den Kompromiss gefunden, dass ich bis zu 30% Dinge akzeptieren muss, die mir wenig oder keine Freude machen. Einfach weil es Notwendigkeiten gibt. Es wäre unrealistisch, sich nur im Flow zu sehen.
Wie kann ich das regeln? Nun, das kann ich durch eine Zusicherung machen. Ich kann sagen: ‚Ich tue alles dafür was ich kann, liebe Mitarbeiterin, lieber Mitarbeiter, dir zu ermöglichen, dass du zu mindestens 70 % deiner Arbeitszeit in Freude verbringst. Mit den anderen bis zu 30 % musst du leben, das muss ich auch. Woher kann ich wissen, dass du dieses Ziel erreichst? Ich kann es nur wissen, wenn du es mir sagst.’
Also frage ich regelmäßig: Sind die 70 % erfüllt? Es wird in jedem Coaching-Gespräch abgefragt. Ich muss mich natürlich darauf verlassen, dass die Mitarbeiter ehrlich antworten. Es kommt vor, dass der empfundene Wert darunter liegt. In diesem Fall schauen wir gemeinsam, woran es liegt. Sind es bestimmte Aufgaben, sind es bestimmte Umstände? Das kann viele Ursachen haben. Und dann überlegen wir, was wir ändern können, damit das wieder auf die 70% geht. Da wir nicht in Stellen und Positionen denken, sondern in Rollen und Verantwortungen, lässt sich das individuelle Portfolio durchaus gestalten.
Es gibt natürlich keine Garantie. Was zählt ist das Bemühen. Und wenn man so will, ist das ja auch ein Stück gemeinsame Vision. Wir sagen, wir geben gegenseitig alles dafür, damit wir auf diesen Wert kommen, mit dem man ganz gut leben kann. Es könnte auch passieren, dass die 70% Freude nur außerhalb unseres Unternehmens erzielbar sind. Dann helfen wir auch dabei.“
Ist das jetzt typisch oder passend für ein Unternehmen, für Aufgaben, die sie haben, oder könnte man das auch in anderen Unternehmen realisieren?
Dr. Pero Mićić: „Das glaube ich ganz fest. Ich habe vorhin zwar etwas klagend von enorm hoher Komplexität unseres Geschäfts gesprochen. Auf der anderen Seite haben wir damit das Glück, dass wir viele unserer Interessen hier ausleben können. So ist die FutureManagementGroup AG entstanden. Ich habe alle möglichen Interessen, die ich so habe, auf einen Punkt zusammengebracht. Den habe ich dann Zukunftsmanagement genannt, so dass es mir nie wirklich schwer viel, hier zu arbeiten. Insofern haben wir hier sowohl positive als auch negative Faktoren. Jede Organisation hat positive und negative Einflussfaktoren.
Und deshalb glaube ich, dass man sich dieses Ziel in jeder Organisation vornehmen kann und auch erreichen kann. Das glaube ich sehr wohl.
Voraussetzung dafür ist natürlich, dass man das überhaupt wichtig findet. Wenn der Maßstab für Zufriedenheit, Glück und Erfolg ausschließlich das Betriebsergebnis ist und das kurzfristig und jederzeit, dann wird es wahrscheinlich nichts. Wenn das Betriebsergebnis langfristig betrachtet wird, geht es sehr wohl. Eine solche Unternehmenskultur fördert wirtschaftlichen Erfolg. Aber es kostet Energie und braucht Überzeugung und Einsatz, diese Kultur zu schaffen.
Man weiß aus der Welt der Strategie: Eine gute Strategie zeigt sich in einem guten Ergebnis, weil man Nutzen gestiftet und Wettbewerbsvorteile aufgebaut hat. Aber eben langfristig. Wenn immer und jederzeit das Betriebsergebnis im Vordergrund steht, macht man Unternehmen letztlich kaputt oder zumindest lässt man die Mitarbeiter bereitwillig leiden.
Also ich wüsste nicht, warum das nicht überall gehen soll. Aber es muss den Menschen, die das Unternehmen gestalten, wichtig sein.“
Vielen Dank!
Dr. Pero Mićić gilt international als ein führender Experte für Zukunftsmanagement. Er ist Vorstand der FutureManagementGroup AG, deren Mission es ist, Top-Entscheidern in Wirtschaft, Politik und Verwaltung zu helfen, mehr von der Zukunft zu sehen als die Konkurrenz.
Dr. Pero Mićić berät die Führungsteams und Zukunftsexperten großer Konzerne und führender Mittelständler zu Ergebnissen und Methoden der unternehmerischen Zukunftsforschung und begleitet sie bei der Umsetzung in praktische Marktchancen und Strategien.
Er ist Keynote-Speaker und Autor von sechs Büchern, darunter zuletzt „Wie wir uns täglich die Zukunft versauen“ (2014), „Die fünf Zukunfts-Brillen“ (2007), „Das Zukunfts-Radar“ (2006) und „Der Zukunfts-Manager“ (2003). Er entwickelte das „Eltviller Modell“ des Zukunftsmanagements und ist Dozent an renommierten Universitäten und Akademien.
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