Diesen Satz höre ich in dieser oder einer ähnlichen Form immer wieder von Führungskräften. Ist das so? Muss ich als Führungskraft alles wissen? Darf ich etwas nicht wissen? Alleine die Frage macht dir wahrscheinlich schon deutlich, dass das nicht sein kann. Wenn du mehr wissen müsstest, als alle deine Mitarbeiter, dann darfst du niemals Experten in deinem Team haben.
Ein demotivierender Workshop
Vor kurzem hatte ich ein Coaching mit einer Führungskraft. Ich nenne sie Anna, obwohl das nicht ihr richtiger Name ist. Sie hatte gemeinsam mit ihrem Team einen Workshop, um neue Ideen zu entwickeln. Am Ende des Workshops zog sie eine fertig ausgearbeitete Lösung aus der Tasche.
Versetze dich kurz in diese Situation. Wie würdest du dich als Teammitglied fühlen? Du hast zwei Stunden kostbare Zeit investiert, deine Ideen eingebracht. Ihr habt gemeinsam einen guten Stand erreicht. Und dann zieht Anna ihre Lösung aus der Tasche und erzählt, dass sie das ganze Wochenende daran gearbeitet hat. Ihr seid natürlich in zwei Stunden nicht so weit gekommen wie Anna.
Nun in diesem Fall waren alle frustriert:
- Anna, weil sie den Eindruck hatte, dass ihre Mitarbeiter nicht mitziehen. Es wurde bei weitem nicht der Stand erreicht, den sie schon vorbereitet hat.
- Die Mitarbeiter, weil sie das Gefühl hatten, dass ihre Meinung zwar erfragt, aber nicht wirklich von Interesse ist.
Den Workshop habe ich in nachfolgendem Video gestalterisch nachempfunden. Schau dir vor allem das Video zwischen Min 2:05 und 5:39 an.
Wie geht es dir damit, wenn du das so siehst? Wie wirkt das Aufkleben des fertigen Bildes auf dich? Was empfindest du dabei? Schau dir die Sequenz zwischen Min 5:05 und 5:39 noch einmal an.
Das passiert immer wieder
Falls du das auch schon mal gemacht hast, bist du in guter Gesellschaft. Es kommt immer wieder vor, dass Trainer, Speaker, Teamleiter, ja sogar bis zum Vorstandsvorsitzenden Menschen einladen, aktiv Themen zu erarbeiten, um am Ende ihre fertige Lösung zu präsentieren. Wenn du das nächste Mal in dieser Situation bist, überlege dir eine Alternative. Wie kannst du mit den aktiv erarbeiteten Themen weiterarbeiten? Wie kannst du nicht demotivieren?
Nicht demotivieren ist eine starke Motivation
Wie vermeide ich Demotivation? Das ist eine super wichtige Frage, viel wichtiger als: Wie motiviere ich meine Mitarbeiter? Hast du dir diese Frage schon mal gestellt? Das kannst du auch mit deinem Team machen. Es gibt Organisationsmodelle und Frameworks , in denen gehört das Reflektieren zum Alltag. Was haben wir gut gemacht? Was können wir beim nächsten Mal anders machen? Und das nicht nur inhaltlich, sondern ganz besonders auch bezogen auf die Art und Weise, wie wir zusammenarbeiten.
Aber jetzt nochmal zurück zu dem Fallbeispiel.
Erkenne dich selbst
Wir haben die Situation im Coaching besprochen. Was steckte hinter dieser Vorbereitung? Anna ist zwar schon zwei Jahre in der Abteilung. Sie ist aber fachfremd. Sie hat das Gefühl, noch nicht das richtige Standing zu haben und wollte sich im Workshop keine Blöße geben. Es wäre ihr peinlich gewesen, wenn ihre Mitarbeiter mit Ideen gekommen wären, die für sie so neu und überraschend sind, dass sie vielleicht noch gar keine Meinung dazu gehabt hätte. Das zu erkennen, ist ja schon der erste Schritt. Reflektieren, sich selbst auf die Schliche zu kommen und Lösungen finden, das gehört zu den Aufgaben einer jeden Führungskraft.
Muss ich wirklich mehr wissen als meine Mitarbeiter? Muss ich mich in ihren Fachgebieten besser auskennen? Nein, natürlich nicht. Das wäre eine Verschwendung. Nutze das Wissen deiner Mitarbeiter und würdige sie. Du bringst deine Expertise ein, deine Mitarbeiter ihre. Je unterschiedlicher, desto größer können die Herausforderungen sein, die ihr gemeinsam lösen könnt.
Hast du ein Vorbild?
In meinen Coachings frage ich dann gerne – und vielleicht willst du mitmachen: Kennst du eine Führungskraft, die du bewunderst? Was macht diese Führungskraft in solchen Situationen wie oben beschrieben. Was macht diese Führungskraft, wenn ein Thema aufkommt, mit dem sie sich nicht auskennt? Kann es sein, dass diese Führungskraft sagt: „Dazu kennt sich XYZ aus, lasst sie oder ihn dazu holen!“ Wenn die Experten im Workshop oder Meeting anwesend sind, dann spielt sie den Ball diesen Experten zu.
Es ist gut, so ein Vorbild zu haben. Dann ist es ganz einfach. Setz dir das nächste Mal „den Kopf deines Vorbildes“ auf. Was hätte dein Vorbild gemacht?
Manchmal stecken hinter diesem Glaubenssatz Ängste
Vielleicht stecken hinter dem Glaubenssatz Ängste, die viel älter sind als die aktuelle Situation. Das sind vielleicht Versagensängste. Das sind vielleicht Erinnerungen an Situationen, die du als ausgesprochen peinlich abgespeichert hast. Diese Ängste und Erinnerungen sind nicht gleich weg. Insofern braucht es Zeit, das eigene Verhalten zu verändern. Sei gnädig mit dir.
Der erste Schritt ist getan, wenn du es wahrnimmst. Dann überlege dir – vielleicht mit Hilfe deines Vorbildes – was du ändern kannst. Und dann probierst du es aus. Wenn du die Angst wieder spürst oder die Erinnerung wieder hochkommt dann suche nach Wegen, wie du dir in dieser Situation mehr Sicherheit geben kannst, ohne dabei deine Mitarbeiter zu demotivieren.
Was machst du, wenn du eine Frage nicht beantworten kannst?
Schreib deine Lösung in die Kommentare.
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