Auf meiner Recherchetour rund um die wertschätzende Unternehmenskultur, in der Kreativität möglich ist, bin ich Dr. Pero Mićić begegnet. Pero Mićić ist Zukunftsmanager und Gründer der FutureManagementGroup AG. Er sagt, Führung heißt, Menschen für ein positives Zukunftsbild zu begeistern.
Lieber Herr Dr. Mićić, was macht eigentlich ein Zukunftsmanager?
Dr. Pero Mićić: „Im Unterschied zu einem Zukunftsforscher, der oder die im Wesentlichen darüber spricht, was so kommen kann oder nicht kommen kann, nutzen wir die Zukunftsforschung als Rohmaterial und helfen Menschen in Führungsrollen eine Vorstellung davon zu haben, was in ihrem Markt passieren könnte und passieren wird, ihre Annahmen zu verbessern, daraus Vision, Ausrichtung, Strategie zu entwickeln.
Unsere Annahmen im Kopf bestimmen ja alles was wir tun. Wir können alle ohne Trend- und Zukunftsforschung leben, aber wir alle haben Annahmen über die Zukunft. Das sind ganz tief psychologisch fundierte Vorstellungen davon, was kommt, was sein wird, und was sich auch nicht ändern wird. Diese Annahmen sind die Grundlage für alle Entscheidungen, gerade in Unternehmen. Unsere Annahmen sind sehr gefärbt, oft sehr unrealistisch, oft sehr schöndenkend und deshalb gefährlich.
Wir helfen Unternehmern eine bessere, weil motivierende und zukunftsrobuste strategische Ausrichtung zu entwickeln.
Es geht darum, ein Zukunftsbild zu malen und Menschen mitzunehmen. Für mich ist das die Grundlage von Führung.
Man sagt ja, um Leader zu sein, muss man Follower haben. Die hat man nur dann, wenn man etwas anbietet, was begeisternd und positiv ist. Das kann zufällig kommen. Man kann eine Inspiration haben. In den meisten Unternehmen ist das nicht der Fall, also muss man sich das erarbeiten. Und dabei helfen wir.“
Wie viele Leute arbeiten mit Ihnen zusammen an der Zukunft?
Dr. Pero Mićić: „Das ist ein Team von 20 Menschen vom Physiker bis zum Theologen und über die Pädagogin bis hin zur Historikerin. Also relativ viele Disziplinen, die sich zusammenfügen und zusammengetan haben, um genau solche Projekte, wie ich sie eben beschrieben habe, zu machen.
Wir betrachten durchaus aus vielen Perspektiven sowohl die Zukunft als auch die Gegenwart. Und wir haben eine gemeinsame – wenn man so will – mentale Landkarte für die Zukunft: Wir nennen das das Eltviller Modell. Der Firmensitz ist in Eltville.“
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Das Eltviller Modell, ich erinnere mich da an verschiedene Zukunftsbrillen, die blaue für die Annahmen, die rote für Überraschungen, die gelbe für …. Was ist Ihre Lieblingsbrille?
Dr. Pero Mićić: „Die Zukunftsbrillen stehen für die fünf verschiedenen Sichtweisen auf die Zukunft. Die blaue Brille ist in der Tat für Fragen wie: „Was wird in x Jahren sein? Was halte ich für das Kommende? Welche Dinge sind dann noch da? Welche Dinge sind neu? Welche Dinge sind dann nicht mehr da? Wenn ich die Antworten ungefiltert aufschreibe, habe ich meine Annahmen. Und die kann ich verbessern, indem ich dazulerne, diskutiere, neue Argumente kennenlerne. Je informierter und solider die Annahmen sind, desto besser sind die Entscheidungen. Man weiß nie genau, wie die Zukunft wird, aber man kann sehr wohl seine Annahmen verbessern.
Die rote Brille ist für die unwahrscheinlichen Ereignisse und Entwicklungen, die man oft gar nicht sieht und gar nicht kennt. Die rote Zukunftsbrille gilt nicht zwingend dem Gefährlichen, sondern ausdrücklich dem, was ich für unwahrscheinlich halte. Das ist ein Unterschied, wird aber gerne verwechselt. Für die rote Zukunftsbrille braucht es Phantasie, während die blaue Zukunftsbrille analytisch-logisches Denken erfordert.
Das sind beides Outside-In-Zukünfte.
Die dritte Brille ist die grüne Zukunftsbrille. Mit ihr fragt man sich: Was könnte ich aus mir, aus meinem Unternehmen eigentlich machen? Welche Chancen haben wir? Welche Karten haben wir auf der Hand? Was ist wie gestaltbar? Das erfordert phantasievolles, kreatives und grenzenloses Denken.
Dann gibt es die gelbe Zukunftsbrille für die Entscheidungen darüber, welche Zukunft man aus all den Möglichkeiten anstreben will. Was ist von all diesen Möglichkeiten, das, was ich wirklich will. Wie richte ich mich aus? Wer bin ich? Wer sind wir? Und wo wollen wir hin? Was sind Werte und Überzeugungen, von denen wir nicht abgehen. So etwa meine Überzeugung, dass man mit mindestens 70 % seiner Arbeitszeit in Freude arbeiten können sollte.
Und die 5. ist die violette Zukunftsbrille. Das ist die Brille für die Planung. Was nehme ich mir jetzt vor und was will ich unbedingt genau so umsetzen? Der Zeithorizont für Planung ist ja mittlerweile deutlich verkürzt. Das ist eher ein pragmatisches Zugehen auf die Vision, das immer wieder revolviert.
Die meisten verstehen unter Zukunft immer nur zwei Dinge: Man sagt die Zukunft voraus oder man plant langfristig. Und beides ist falsch. Weder geht es darum die Zukunft vorauszusagen, es geht hier um Annahmen, was ein Unterschied ist. Und es geht nicht um langfristige Planung, weil die in komplexen sozialen Systemen wenig Sinn macht.
Die Zukunftsbrillen helfen, Zukunftsgedanken zu klären und sie helfen, Strategie zu entwickeln.“
Gibt es eine Lieblingsbrille?
Dr. Pero Mićić: „Nein. Erst alle fünf machen eine Ganzheit. Es gibt auch keine sechste. Die fünf beschreiben genau die fünf Sehnsüchte, die ein Mensch hat, wenn es um die Zukunft geht.
1. Zu wissen, was kommt.
2. Sich sicher zu fühlen vor Überraschungen
3. Chancen zu sehen, eine bessere Zukunft vor sich zu sehen
4. Zu wissen, wozu, wofür, wohin
5. Und zu wissen, was zu tun ist.
Das findet man an verschiedenen Stellen in der Philosophie wieder, etwa bei Kant in vereinfachter Form. Das findet man an ganz vielen Stellen.
Jede Zukunftsbrille hat ihren Wert. Für mich gibt es keine Lieblingsbrille. Zu manchen muss man sich ein bisschen mehr zwingen. Viele Menschen neigen dazu, die rote Zukunftsbrille auszulassen, weil sie ja dem Unwahrscheinlichen gilt. Aber gerade das macht es erst Ganz. Wenn man nur in Wahrscheinlichkeiten denkt, macht man zwangläufig Fehler.“
Es wurden schon viele unwahrscheinliche Entwicklungen schlicht und ergreifend über 20 und 30 Jahre übersehen und plötzlich waren sie da.
Dr. Pero Mićić: „Genau. Und vor allem wird auch vieles, was von Zukunftsforschern als potentiell unwahrscheinliches Szenario beschrieben wird, von Journalisten oder der Öffentlichkeit dennoch als Voraussage verstanden. Weil sie diese Blau-Rot-Brillen-Unterscheidung nicht so machen wie wir.“
Was war ihr Lieblingsprojekt? Gibt es ein Projekt, von dem sie sagen, das war etwas ganz Besonderes?
Dr. Pero Mićić: „Eines, über das ich erzählen kann ist die Warema AG, ein großes Familienunternehmen. Dieses Unternehmen haben wir zu den Sonnenlichtmanagern gemacht. Vorher haben sie gesagt: Wir sind im Geschäft mit Sonnenschutzsystemen. Jetzt sind sie Sonnenlichtmanager. Sie haben sich praktisch einen eigenen Markt definiert. Dieser Begriff beschreibt sehr genau das Geschäft und zwar quer zu den Wettbewerbern. Mit Sonnenschutz geht man nicht nach Norwegen, mit Sonnenlicht-Management sehr wohl. Die Vorstandsvorsitzende, Frau Renkhoff-Mücke, sagt: „Wir wissen heute sehr genau, was wir machen und was wir nicht machen“.
Das klingt so, als wäre es nur das eine Wort, aber dieses Wort ist nur die Spitze der Gedanken, die wir uns mit Warema dazu gemacht haben.
Freude machten auch die Projekte mit dem BKA. Manchmal sind das positive und spannende, manchmal auch etwas bedenkliche Entwicklungen und Themen, mit denen wir es zu tun haben.
Am besten ist es immer dann, wenn eine Gemeinschaft von Menschen positiv verändert wird. Wenn jemand dann sagt: „Als wir uns die Ergebnisse angeschaut haben, sind uns wohlige Schauer über den Rücken gelaufen.“ So einer unserer Klienten. Das sind dann Momente, in denen wir das gute Gefühl haben, etwas bewirkt zu haben. Und Selbstwirksamkeit ist für jeden Menschen ein Stück Erfüllung.“
Haben Sie mit Ihren Projekten die Unternehmenskultur bei Ihren Kunden verändert?
Dr. Pero Mićić: „Ich habe mich früher geweigert, an der Unternehmenskultur zu arbeiten, wenn es um Zukunft geht. Weil ich die Arbeit mit der Zukunft stark als eine Outside–in-Aufgabe sehe. Mittlerweile haben wir die Kultur auch als Element im Eltviller Modell. Weil es schlicht wahr ist, was Peter Drucker gesagt hat: „Culture eats strategy for breakfast.“ Wenn Kultur nicht will, dann kann Strategie nicht helfen. Und deshalb kümmern wir uns jetzt bewusst auch um Kultur.
Beispielsweise das Unternehmen, das ich mit dem „wohligen Schauer über den Rücken“ beschrieben habe. Die Aufgabe war hier ein Team von 20 Menschen an der Spitze einer Firma von knapp 2000 Menschen zu einem gemeinsamen Bild von sich selbst und von ihrem Unternehmen in der Zukunft zu führen, aber auch, zu einem Freundeskreis zu machen. Den Begriff des beruflichen Freundeskreises habe ich eingebracht, weil ich den auch bei uns so verstehe.
Dass mit unseren Projekten gar keine Kulturveränderung stattfindet, ist so gut wie ausgeschlossen. Immer wenn man ein gemeinsames Zukunftsbild erarbeitet hat, das motivierend und zukunftsrobust ist und wenn man sich darauf freut, es gemeinsam zu verwirklichen. Das verändert natürlich auch die Kultur.“
Vielen Dank!
Dr. Pero Mićić gilt international als ein führender Experte für Zukunftsmanagement. Er ist Vorstand der FutureManagementGroup AG, deren Mission es ist, Top-Entscheidern in Wirtschaft, Politik und Verwaltung zu helfen, mehr von der Zukunft zu sehen als die Konkurrenz.
Dr. Pero Mićić berät die Führungsteams und Zukunftsexperten großer Konzerne und führender Mittelständler zu Ergebnissen und Methoden der unternehmerischen Zukunftsforschung und begleitet sie bei der Umsetzung in praktische Marktchancen und Strategien.
Er ist Keynote-speaker und Autor von sechs Büchern, darunter zuletzt „Wie wir uns täglich die Zukunft versauen“ (2014), „Die fünf Zukunfts-Brillen“ (2007), „Das Zukunfts-Radar“ (2006) und „Der Zukunfts-Manager“ (2003). Er entwickelte das „Eltviller Modell“ des Zukunftsmanagements und ist Dozent an renommierten Universitäten und Akademien.
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