Auf meiner Recherchetour rund um eine wertschätzende Unternehmenskultur bin ich Sonja Zollner begegnet. Sonja Zollner arbeitet bei Nokia Networks in einer Abteilung, die eine neue Organisationsform lebt. Eine Abteilung innerhalb einer großen Organisation mit einer ganz eigenen Kultur. Das hat mich neugierig gemacht.

Liebe Sonja, was machst du bei Nokia?

Sonja Zollner: „Das frage ich mich auch manchmal!“ Sonja lacht herzlich. „Ich arbeite bei Nokia Transformation und mache weltweit Transformationsprojekte. Das ist Inhouse-Consulting. Ein Geschäftsgebiet hat ein Problem oder ein Vorstand hat ein Problem, das mehrere Geschäftsgebiete betrifft und dann kommen wir zum Einsatz.“

Ihr habt dort eine besondere Form der Organisation.

Sonja Zollner: „Ja, das ist ganz spannend, denn wir haben bei Nokia Transformation keine feste Organisation. Da gibt es Senior Consultants, das sind die sogenannten Leads. Und es gibt ein Team mit einer bunten Mischung an unterschiedlichen Erfahrungen. Alle zusammen sind wir 250 Mitarbeiter in dieser Abteilung. Wir arbeiten rein projektbezogen.

Die Gruppe von Leads, das ist das Führungsteam, haben auch keine Organisation oder Hierarchie. Wir haben eine gemeinsame WhatsApp-Gruppe: Leading by WhatsApp 😉

Wie in jeder Firma kommt bei uns auch unsere Personalabteilung und sagt: Wir müssen das irgendwie in unsere Systeme packen. Wer ist denn bei euch der Chef? Und wir sagen: „Den haben wir nicht. Wir haben einen Leitungskreis. Wir haben wir natürlich eine gewisse Aufteilung, aber die lässt sich nicht in ein bestehendes Tool packen.“

Und was steht dann im System?

Sonja Zollner: „Da haben wir alle die gleiche Rolle: Engagement Lead. Wir kommen mit diesen komischen Tools nicht mehr zurecht.

Wir sind eine Art Keimzelle, die diesen neuen Stil der selbstgesteuerten Teams umsetzt. Ich glaube nicht, dass die bisherigen Organisationsformen z.B. die Orangen (*) funktionieren. Da sagen „die da unten“ – wie es immer so schön heißt – „die da oben kümmern sich gar nicht um uns. Die machen ja nur ihre Machtspielchen“. Auf der anderen Seite „die da oben“ sind alle im Burnout und sagen: „die da unten sind nicht mal dankbar.“ Und so ist keiner mehr glücklich. Und ich glaube, dass der Leidensdruck dazu führen wird, dass wir uns von diesen Hierarchien verabschieden.“

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Und ihr lebt in eurer Abteilung diese alternative Organisationsform?

Sonja Zollner: „Ja, nun muss man ehrlicherweise sagen. Das ist einer Gruppe wie der unsrigen mit vielen jungen Analysten und ein paar alten Hasen, die dem aufgeschlossen gegenüberstehen, leichter. Wenn man das auf ein ganzes Unternehmen übertragen will, ist das eine ganz andere Herausforderung.

An einer Stelle muss man anfangen, wenn man herausfinden will, was funktioniert. Es hilft schon, eine Gruppe zu haben, bei der es funktioniert und alle können das sehen. Das ist inspirierend auch für die anderen.“

Ihr habt doch bei Nokia ohnehin viele Wissensarbeiter. Gerade in Unternehmen mit vielen Wissensarbeitern finden sich doch verstärkt moderne Formen der Zusammenarbeit.

Sonja Zollner: „Ja, wir sind in Arbeitsformen in allen Bereichen sehr global und sehr modern eingestellt.

Vor kurzem hatte ich einen Vortrag über ein ganz anderes Thema. Da wurde ich im Vorfeld gefragt, ob Nokia denn auch schon Modelle zu flexiblen Arbeitszeiten habe. Ich hatte das Gefühl, in einer Zeitmaschine unterwegs zu sein. Das Thema Arbeitszeit finden wir sehr befremdlich. Das ist doch eher etwas für Maschinen als für Menschen und das ist auch für uns nichts Modernes.

Nehmen wir ein Beispiel aus dem privaten Umfeld. Wenn mein Sohn zu seiner Oma geht und sagt: ‚Oma, du machst die beste Prinzregententorte der Welt. Morgen kommen meine Freunde zum Geburtstag. Machst du mir eine?’ Dann gibt es verschiedene Möglichkeiten, was die Oma antwortet. Entweder sie hat Zeit und sagt: ‚Ja, ich backe dir eine Prinzregententorte.’ Es kann aber auch sein, dass sie sagt: ‚Du, ich habe morgen soviel zu tun. Ich mache dir eine andere, die ist so ähnlich und schmeckt genauso lecker.’ Es kann aber auch sein, dass die Oma sagt: ‚Du weißt doch, ich fahre morgen nach Verona in die Oper, da bin ich gar nicht da.’ Was die Oma niemals sagen wird: ‚Ich gebe dir 2,5 Stunden. Ich gehe in die Küche und was immer nach 2,5 Stunden da ist, das bekommst du auf den Tisch.’

Die Oma würde automatisch vom Kuchen sprechen und nicht in Zeiteinheiten. In Managementterminologie übersetzt, spricht sie objective-bestimmt. Und deshalb ist das für uns etwas ganz natürliches, klassisch Menschliches.

Im Grunde genommen ist es ganz einfach. Das könnte man in hochtrabende Begriffe packen, aber es ist ganz einfach: Man macht aus, wer was beisteuert. Jede Bottle-Party funktioniert nach diesem Prinzip.

Etwas schwieriger wird es, wenn Maschinen dazu kommen, wenn bestimmte Zeiten abgedeckt werden müssen. Aber auch das kann menschenfreundlicher geregelt werden. Teams in den türkisen Organisationsformen sagen: Ihr Fünf seid zuständig, dass diese Maschinen laufen. Teilt euch das ein, wie ihr wollt.

Ich hatte ein Team mit fünf Damen. Ich brauchte aber nur Vier und es waren auch immer nur Vier da und eine war in der Babypause. Die haben sich mit ihren Schwangerschaften wohl abgesprochen. Inzwischen haben alle zwei bis drei Kinder. Ich weiß nicht, wie die das hinbekommen haben, aber es hat funktioniert.

Nach meiner Erfahrung sind Leute bereit für mehr Freiheit und Selbstbestimmtheit, etwas zu tun. Sich selbst so organisieren zu können, dass sowohl Arbeit, Familie, Freizeit unter einen Hut gebracht werden, das ist Work-Life-Balance. Diese Selbstbestimmtheit, das ist den Mitarbeitern viel wert.

Vielen Dank, liebe Sonja

(*) Die Organisationsformen, über die wir hier gesprochen haben, sind in dem Buch „Reinventing Organizations“ beschrieben. In diesem Buch unterscheidet der Autor Frederic Laloux unterschiedliche Organisationsmodelle und gibt ihnen Farben.

Kurz zusammengefasst:

Farbe Weltbild Besondere Kennzeichen und Entwicklungen
Rot Impulsiv Strikte Arbeitsteilung, Top-down-Autorität
Bernstein Konformistisch Wiederholbare Prozesse, stabiles Organigramm
Orange Leistungsorientiert Innovation, Verlässlichkeit, Leistungsprinzip
Grün Pluralistisch Empowerment, Wertorientierte Kultur, Integration verschiedener Interessengruppen
Petrol Lebendige Systeme Selbstführung, Ganzheit, Evolution

„Making work fun“ ist das Motto und zugleich der Schlüssel zu mehr Lebensqualität sagt Sonja Zollner und lacht, weil ja niemand besser arbeitet, wenn man schlecht gelaunt ist. Auf diese Art hat sie seit über 30 Jahren Spaß an der Gestaltung globaler Organisationen der Global Player wie Siemens oder Nokia.

Weil das Hamsterrad nur von innen wie eine Karriereleiter aussieht geht es nicht darum andere zufrieden zu machen, sondern viel zu erleben, zu gestalten und die Organisation mit den vielen interessanten Menschen darin zum Erfolg zu bringen.

In verschiedenen Führungsrollen in Vertrieb, Rechnungswesen, Controlling, M&A, IT, Organisation und Transformation in verschiedenen Ländern und Kontinenten hat sie viele interessante und wertvolle Menschen kennengelernt und ist zu einer Verfechterin globaler Diversity geworden.

Zur Zeit ist sie bei Nokia Transformation Lead, Aufsichtsrätin und im Leitungskreis des Frauennetzwerks „Greenhouse“ sowie in diversen anderen Frauennetzwerken engagiert.